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Teilhabe am Arbeitsleben

Behinderung Selbstbestimmung

Stellungnahme zur Gemeinsamen Empfehlung „Einrichtungen für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 51 SGB IX“

Entwurf einer Gemeinsamen Empfehlung der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation - „Einrichtungen für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 51 SGB IX“

1 Einleitung

Mit Schreiben vom 6. Juli 2021 eröffnete die BAR das Beteiligungsverfahren für die Gemeinsame Empfehlung „Einrichtungen für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben“ (im Folgenden: GE LTA) nach § 26 Abs. 6 und 7 Satz 2 SGB IX. Die dem SoVD eingeräumte Möglichkeit zur Stellungnahme bis 30.August 2021 wird vorliegend fristgerecht wahrgenommen.

2 Zu ausgewählten Regelungen im Einzelnen

Regelungen zum Gewaltschutz

§ 2 Abs. 51 enthält Regelungen zum Gewaltschutz und lautet wie folgt: „Die Einrichtungen halten Konzepte vor, in denen die Voraussetzungen und Strukturen zur Vermeidung von und Intervention bei Gewalt und Missbrauch, insbesondere gegen Frauen und Kinder mit Behinderungen, beschrieben sind, und setzen diese in entsprechender Weise um.“

SoVD-Bewertung: Die geplanten Vorgaben zum Gewaltschutz sind nicht ausreichend. Bereits im jüngst verabschiedeten Teilhabestärkungsgesetz hatte sich der SoVD nachdrücklich für konkrete Verpflichtungen zum Gewaltschutz in Einrichtungen eingesetzt (§ 37a SGB IXneu); vgl. Stellungnahme des SoVD. 

Leider blieb es dort jedoch bei allgemein gehaltenen Gesetzesvorgaben. Frau Dr.in Seel als BAR-Geschäftsführerin wies in der Bundestagsanhörung ausdrücklich darauf hin, Konkretisierungen zum Gewaltschutz im Bereich Rehabilitation auf Ebene der BAR zu regeln.

Dies muss die GE LTA nun leisten. Sie sollte bundesweit einheitliche Mindeststandards normieren und sicherstellen, dass die Umsetzung nicht allein dem Engagement der einzelnen Einrichtung überlassen bleibt.Aus SoVD-Sicht sind daher Konkretisierungen zum Gewaltschutz in der jetzt vorliegenden GE LTA notwendig.

Es braucht etwa konkrete Vorgaben, welche Personen/Stellen in den Einrichtungen zur Konzepterstellung verpflichtet sind, wer die Umsetzung sicherstellt und welche Instanz für die Überwachung Verantwortung trägt. Für alle Akteursgruppen sind die konkreten Handlungspflichten bzw. Handlungsrahmen zu benennen.

Für die zu erstellenden Gewaltschutzkonzepte braucht es konkrete Vorgaben zu (Mindest-)Inhalten, Erstellungsfristen,Verbindlichkeit,Aktualisierungs- und Berichtsvorgaben sowie wirksame Kontrollmechanismen und Sanktionen.

Zu bestimmen ist, in welchem konkreten (Mindest-)Umfang Leistungserbringer bzw. Reha-Träger Angebote und Leistungen vorhalten müssen, um effektiven Schutz vor Gewalt und wirksame Hilfe bei Gewalt für Betroffene zu gewährleisten. Notwendig ist etwa, dass den Gewaltopfern niedrigschwellige, unabhängige Beschwerde- und Überwachungsstellen zur Verfügung stehen; dies sollte die GE LTA verbindlich vorgeben. Einrichtungen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben müssen sich überdies mit externen (barrierefreien) Hilfsangeboten für Menschen mit Behinderungen, etwa Frauenhäusern, vernetzen und auf barrierefreie Informationen und Zugänglichkeit hinwirken. Auch das Recht auf geschlechtergleiche Wahl von Pflege- bzw.Assistenzpersonen sollte gewährleisten werden.

Nicht zuletzt ist sicherzustellen, dass Betroffene und ihre Verbände in die Erarbeitung und Umsetzung der Gewaltschutzkonzepte verpflichtend einbezogen werden, wie dies § 37 Abs. 5 SGB IX für das Qualitätsmanagement vergleichbar normiert.

Belange von Frauen mit Behinderungen

Der SoVD fordert eine Regelung zu Frauenbeauftragten in LTA-Einrichtungen im Rahmen der GE LTA. So kann den Belangen von Frauen und Mädchen mit Behinderungen konkret institutionell Rechnung getragen werden. Die GE LTA fordert an vielen Stellen zu Recht, die Belange von Frauen bzw. Leistungsberechtigten mit Kind zu berücksichtigen (vgl. etwa § 2 Abs. 3, § 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1). Doch diese Belange müssen auch vor Ort ermittelt und in der Umsetzung begleitet werden. Hierfür braucht es verlässliche Ansprechstellen für Frauen in Form von Frauenbeauftragten. Sie können wichtige Beiträge leisten, um die Angebote gezielt für Frauen und Mädchen mit Behinderungen zu verbessern und ihre Belange einzubinden.

Für die WfbM gibt es mit § 222 Abs. 5 SGB IX bereits eine gesetzliche Regelung zu Frauenbeauftragten. In Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation und Teilhabe besteht der Bedarf in gleicher Weise. Daher sollte zumindest auf Ebene der GE LTA eine entsprechende Regelung zu Frauenbeauftragten verankert werden.

Einbeziehung der Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM)

Nach § 1 Abs. 4 sollen für die WfbM vorrangig die §§ 56 ff, 219 ff. SGB IX, die Werkstättenverordnung sowie die ergänzenden Regelungen der in § 225 S. 2 SGB IX benannten Stellen (z.B. Fachkonzept für Eingangs- und Berufsbildungsbereich in WfbM der Bundesagentur für Arbeit) und die Werkstättenmitwirkungsverordnung gelten.

SoVD-Bewertung: Die Vorrangigkeit der benannten Regelungen in Bezug auf die WfbM ist zwar sachgerecht. Gleichwohl bittet der SoVD um Prüfung, wie in der GE LTA dennoch eine stärkere Verknüpfung insbesondere von Angeboten im Berufsbildungsbereich der WfbM mit anderen Reha-Ausbildungsangeboten, etwa in Berufsbildungswerken, gelingen kann. Es liegt im Interesse der Menschen mit Behinderungen, wenn hier eine stärkere Anschlussfähigkeit ermöglicht wird und Übergänge unterstützt werden.

Das Budget für Ausbildung etwa zeigt den Willen des Gesetzgebers, dass junge Menschen aus dem Berufsbildungsbereich der WfbM mittels Budget für Ausbildung auch eine reguläre betriebliche Ausbildung aufnehmen können sollten, wobei der schulische Teil der Ausbildung gemäß § 51 SGB IX in einer Reha-Einrichtung erfolgen kann. Diese neuen Möglichkeiten muss die GE LTA berücksichtigen und entsprechende Kooperationen zwischen WfbM und etwa Berufsbildungswerken ausgestalten, um hier Anschlussfähigkeit zu gewährleisten.

Berlin, 2.August 2021

DER BUNDESVORSTAND
Abteilung Sozialpolitik